Business Process Outsourcing (BPO) – Anwendung und Grenzen

BPO – eine kurze Situationsbeschreibung

Seit längerer Zeit ist die Frage von Eigenfertigung oder Fremdbezug von Unternehmensprozessen eine wesentliche Komponente aller Managemententscheidungen. Kernkompetenz und Fokussierung auf dieselben ist das strategische Placebo der gegenwärtigen oftmals einseitigen Grundhaltung. Beschleunigt durch den Katalysator Kostensenkung und viel versprechenden Angeboten diverser Dienstleister wird die Diskussion rund um den Terminus Business Process Outsourcing (BPO) intensiviert.

Dabei wird unter BPO die Erbringung von Prozessen oder auch einzelnen Aufgaben durch einen außerhalb des eigenen Rechtkörpers auf diese Prozesse spezialisierten Anbieter übertragen. Grundsätzlich kann dieses Modell bis hin zu einem virtuellen Unternehmen ausgedehnt werden. Solch eine Organisation entspräche dann einem Dirigenten mit dem strategischen Stab, der alle Zulieferer nur noch zu einem Gesamtwerk orchestriert. Automobilproduzenten können dieses Modell teilweise schon sehr gut nachempfinden, Audi hatte vor kurzer Zeit bereits eine Fertigungstiefe von nur noch 11% erreicht.

Methodische Einordnung

Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Umgang mit Fachbegriffen ist die praktisch orientierte Einordnung in die bestehenden Methoden.

BPO ist aus unserer Sicht eindeutig der Methode Geschäftsprozessmanagement als Teilaspekt zuzuordnen. Nach der strategisch-inhaltlichen Festlegung von Prozesszielen erfolgt die Prozessmodellierung und damit Standardisierung von Prozessen. Im Anschluss an die beschriebenen Prozesse stellt sich die Frage nach Prozesskosten und damit die Managementaufgabe, Prozesse wertschöpfend zu steuern. Prozesskosten beinhalten als Teilaspekt wiederum die Frage nach Kapazitäten und Ressourcen. Nach soviel erzeugtem Managementschweiß kommt man dann endlich zur Prüfung, inwieweit Eigenfertigung oder Fremdbezug aus wirtschaftlicher Sicht den Ausschlag geben könnten. Sonstige sekundäre Aspekte können wir angesichts der vorhandenen extremen Rentabilitätsprämisse kurzfristig ausblenden. Eine derartige Betrachtungsweise ist eigentlich praktisch und kann bei sachlicher Vorgehensweise auch Erfolg versprechende Ergebnisse produzieren. Potenzielle Kostenvorteile lassen sich dann nachvollziehbar an einzelnen Geschäftsprozessen oder Teilprozessen aufzeigen.

Kriterien zur Prozess-Einordnung

In fast jeder Entscheidungssituation lassen sich vielfältige Kriterien bestimmen, die zu einem Erfolg einer Managemententscheidung beitragen. Bei BPO kommt es aus unserer Sicht immer mindestens auf drei besonders wichtige Einordnungsparameter an:

  • Strategische Bedeutung des Prozesses: Eine tendenzielle hohe strategische Bedeutung eines Prozesses spricht gegen BPO. Gründe dafür könnten zum Beispiel im eigenen Wettbewerbsverhalten oder der Existenz von Kernwissen einzelner Prozesse liegen.
  • Standardisierbarkeit: Je weniger ein Prozess standardisierbar ist, desto unwirtschaftlicher wird BPO. In diesem Zusammenhang rückt auch das Mengengerüst in die Betrachtungsmitte. Je öfter und gleichartiger Prozesse sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, das ein externer Prozessdienstleister diese wirtschaftlicher erbringen könnte.
  • Flexibilität/Veränderungsrate des Prozesses im Geschäftsmodell: lang gleich bleibende, tankerartige Geschäftsmodelle und Strategien waren gestern, Anpassung und permanente Veränderung ist heute. Davon sind nicht nur die inkrementellen Verbesserungen betroffen, sondern auch kurzfristige strategische Entscheidungen, die die Geschäftsprozesse in kurzen Zeitabläufen substantiell ändern. Neue Vertriebskanäle, neue Partnerschaften, kurze Produktlebenszyklen sind Ausdruck einer sich permanent abändernden Unternehmensstrategie. Je flexibler und veränderungsfreudiger Prozesse werden, desto weniger sind sie auslagerungsfähig.  

Identifikation von Outsourcing-Potenzialen

Outsourcing oder auch die Prozessdurchführung außerhalb der eigenen, direkten Management-Einflußnahme bedingt bei derartigen Entscheidung aber einer klaren Vorstellung in welchen Prozessen Potenzial vorhanden ist und welche Grenzen unbedingt beachtet werden sollten.

Für die Bestimmung von Outsourcingpotenzialen der Geschäftsprozesse können wir die Abbildung der einzelnen Prozesse in einem Prozessportfolio empfehlen.

Grafik: Prozessportfolio

Die Analyse und Zuordnung der Geschäftsprozesse im Portfolio entlang der Parameterachsen „Strategische Bedeutung“ und „Standardisierbarkeit“ zeigt das primäre Outsourcingpotenzial an. Die Ergänzung der aus Steuerungssicht dritten Achse „Veränderbarkeit“ zur Einstufung der Dynamik wollen wir in diesem Zusammenhang aus Komplexitätsgründen nicht vertiefen. Feld 4 stellt dann für BPO-Freunde die geeignete Spielwiese der Prüfung dar, inwieweit externe Dienstleister wirtschaftlicher sind. Anzumerken ist hierbei immer jedoch die Tatsache, dass selbst scheinbar eindeutige Zuordnungen nicht unbedingt zutreffen. Bei den Einkaufsprozessen ist die Beschaffung von Büromaterial oft trivialerweise auslagerungsfähig, die Beschaffung eines strategischen Softwareprojektes (z.B. PLM-Software) hingegen nur rudimentär. 

Felder 2 und 3 sind indifferent und tendenziell eher unbrauchbar für BPO, im Einzelfall jedoch für jedes Unternehmen wirtschaftlich zu prüfen.

Erfolgskriterien für BPO

  • Klare strategische Entscheidungen der Prozesseinordnung: Prozesse werden als primäres Ordnungskriterium eingestuft und die strategischen Geschäftsprozesse sind analysiert und hinsichtlich ihrer Bedeutung den Führungskräften bekannt;
  • Prozessmodell eingeführt: ein einheitliches Prozessmodell für die Unternehmenseinheit ist eingeführt, so dass ausgelagerte Prozesse auch weiterhin in das eigene Modell integriert werden können;
  • Anpassungen der Schnittstellen: Prozessschnittstellen zu ausgelagerten Prozessen sind beschrieben und transparent; die Zusammenarbeit zwischen externem Dienstleister und eigenen Prozessverantwortlichen funktioniert wie eine unternehmerische Einheit;
  • Voll-Kostenanalyse des BPO-Dienstleisters: alle Kosten müssen transparent erfasst werden und in das Outsourcingmodell hineingerechnet werden – u.a. Auslagerungskosten Managementkosten für Outsourcing incl. Vertragskosten, Veränderungskosten von Verträgen (fallen bei langen Laufzeiten immer an), Trennungskosten vom Vertrag, Reingrationskosten für den Aufbau der eigenen Komtenzen;
  • Controlling des BPO-Dienstleisters: klare Einbindung in die eigenen Planungs- und Steuerungsprozesse und Kontrolle der vorgegebenen eigenen Zielwerte; aus dem Unternehmen heißt gerade nicht aus dem Sinn, der BPO-Dienstleister stellt mehr dar als nur variable Kosten

Grenzen von BPO

  • Transaktion von wesentlichem Know-how: Die Grenzen werden insbesondere dort erreicht, wo wesentliches, wettbewerbsrelevantes Know-how durch BPO betroffen ist. Ziel ist es nur solche Prozesse auszulagern, die langfristig keinen oder nur sehr geringen Kompetenzbedarf für die erfolgreiche Wettbewerbsführung bedeuten;
  • Faule Schnittstellenkompromisse: insbesondere bei Prozessintransparenz im eigenen Unternehmen erscheint ein BPO oft nicht sinnvoll. Kompromisse, die in diesem Zusammenhang eingegangen werden, können nur zur zwangsläufigen Unwirtschaftlichkeit führen, da der Dienstleister die unregelmäßige Wahrnehmung der Schnittstelle nicht effizient bedienen kann;
  • Überzogene Anpassung an Standardprozesse des BPO-Dienstleisters: hohe Skaleneffekte treten beim Diensteleister insbesondere dann auf, wenn ein einheitliches Standardmodell für mehrere Verträge eingehalten werden kann. Dieses stellt dann den SAP-Effekt einen „Prozessgleichschaltung“ dar und führt zu sehr reduzierten Wettbewerbsvorteilen.
  • Schiefe Vergleichskalkulationen: Bei einer BPO-Kalkulation werden häufig interne Vollkostenbetrachtung der Eigenfertigung Teilkostenbetrachtung des externen Bezuges gegenübergestellt. Damit lassen sich solche Verträge schnell schönrechnen. Anzusetzen sind realistische Werte, die insbesondere alle Josten von der Einführung, über Veränderungen bis hin zur vollständigen Reintegration betrachten.
  • Veränderungen der Prozessanforderungen: je dynamischer das eigene Geschäftsmodell funktioniert und damit Prozessveränderungen stattfinden, desto geringer ist der zu erwartende Nutzen durch BPO. Diese Veränderungen müssen im BPO-Vertrag schon vorgesehen werden und stellen gerade aus Sicht des BPO-Dienstleisters ein willkommenes Zusatzgeschäft dar.
  • Vergleich der eigenen mit externen Effizienzsteigerungspotenzialen: damit sich das Insourcing für den Outsourcing-Dienstleister wirtschaftlich rechnet ist im Regelfall ein Effizienzsteigerungspotenzial von mindestens 50% über die Vertragslaufzeit notwendig. Jenseits der Investitionskosten möchte der BPO-Dienstleister seine eigene Zielrentabilität erwirtschaften. So werden aus internen Cost-Center Prozessen (z.B. FiBu-Prozessen) externe Profit-Center Prozesse. Ein derartig hohes Effizienzpotenzial ist oftmals Abbild von eigenen internen Versäumnissen der Vergangenheit. Nichtsdestotrotz besteht bei dieser Ausgangslage ebenfalls ein internes Verbesserungspotenzial. Dieses sollte bei der BPO-Vergleichskalkulation berücksichtigt werden.

Fazit

BPO bedarf als Alternative für die klassische Eigenfertigung einer nüchternen Betrachtung mehr als eines taumelnden Aktivismus. BPO ist kein strategisches Allheilmittel, sondern integraler Umsetzungsaspekt der Managementmethode Geschäftsprozessmanagement. Besonders die ganzheitliche Betrachtung der tatsächlichen Prozesskosten über die gesamte Vertragslaufzeit incl. das abschließende Insourcing stellt die notwendige realistische Kostenbasis als Vergleichsmaßstab dar.

Führungskräfte, die selbst nur einen eigenen Drei-Jahres-Horizont haben und zehnjährige BPO-Verträge dem Unternehmen mitgeben, haben eine hohe Verantwortung hinsichtlich der Nachhaltigkeit von BPO-Entscheidungen. Eigenfertigung als Entscheidungsalternative bleibt auf Grund zahlreicher Grenzen von BPO für viele Prozesse auch zukünftig wettbewerbsfähig.

Die größere Herausforderung für Führungskräfte besteht in der Aufgabe prozessorientierte Unternehmen aufzubauen und damit BPO erst einen größeren Einsatzraum zu ermöglichen. Dieses Szenario ist für viele Unternehmen aber noch ein ferner Zukunftstraum. 

Autor: Dipl.-Kfm. Thilo Knuppertz, Geschäftsführer, Kompetenzzentrum für Geschäftsprozessmanagement

 

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